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Feuerwehrhaus mit Kurven Tübingen-Lustnau

Feuerwehrhaus mit Kurven

Schlagworte

Holzbau-Referenz
HIP - Bauvorhaben
MLR
Halle mit Verwaltungsgebäude
EFRE Holz Innovativ Programm
2022

Projektdetails

ProjektartBauvorhaben – HIP
GebäudetypHalle mit Verwaltungsgebäude
Ort73074 Tübingen-Lustnau
Fertigstellung2022
FördernehmerUniversitätsstadt Tübingen, Fachbereich Hochbau und Gebäudemanagement
BilderGaus Architekten, Oliver Rieger

Details zum Projekt

Die Stadt Tübingen ist sehr engagiert, wenn es um nachhaltige Architektur und ressourcenschonenden Holzbau geht. Und so steht seit Ende 2022 im Stadtteil Lustnau nun das erste Feuerwehrhaus in Holzbauweise. Um auch dem Nachhaltigkeitsaspekt Rechnung zu tragen, wurde für das Tragwerk und die Beplankung ausschließlich FSC-zertifiziertes Holz aus regionalem Waldbau in Allgäu und Schwarzwald verwendet. Das Gebäude ist eine Mischung aus Holzrahmenbau und Ingenieurholzbau, das heißt, es kombiniert Holzrahmenbauwände mit Einblasdämmung mit einem Tragwerk aus Trägern und -Stützen, für das sowohl Brettschichtholz, als auch Buchen-Furnierschichtholz (Buchen-FSH, auch Baubuche genannt) genutzt wurde. So besteht das Tragwerk der Fahrzeughalle aus „Trägern auf zwei Stützen“ in Reihung, das heißt Brettschichtholz-Träger in Fischbauchform auf Brettschichtholz-Stützen bilden die Halle. Aus statischen Gründen bzw. zur Aussteifung von Halle und Schulungsbau sind die Bodenplatte sowie der Erschließungskern aus Aufzugsschacht und Treppenhaus in Stahlbeton ausgeführt. Für das dahinterliegende Wohngebiet dient das im Grundriss S-förmige, etwa 7 m hohe Gebäude als Lärmschutzwand gegenüber der Stuttgarter Straße. Die abgerundeten Gebäudeecken lassen den Bau gefälliger wirken und sorgen zudem für bessere Einsicht in die Verkehrsumfahrung.

 

Architektur: Gaus Architekten, Göppingen
Tragwerksplanung: Schneck Schaal Braun, Ingenieurgesellschaft Bauen mbH, Tübingen
Holzbau: Zimmerei Hämmerle, Tübingen
Abbundplanung: DC-Planungsbüro, Christian Dolt, Herxheim
Auszeichnungen: DMK Award für Nachhaltiges Bauen 2023 | ICONIC Award Innovative Architecture 2023 | German Design Award Winner 2024 | International Design Award 2023: Silver (Sustainable Architecture) | International Design Award 2023: Gold (Public Space Architecture) | French Design Award 2024: Gold

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Neubau für die Feuerwehr (fast) komplett aus Holz

Das alte Feuerwehrgebäude der freiwilligen Einsatzabteilung Lustnau, eine ungedämmte, ehemalige Omnibushalle, die seit den 1970er Jahren als Interimslösung gedacht, dann aber zur „Einrichtung“ geworden war, entsprach nicht mehr den modernen Anforderungen an ein Feuerwehrgebäude und lag zudem verkehrstechnisch relativ ungünstig. Die Stadt benötigte daher ein zeitgemäßes Funktionsgebäude mit einer besseren Verkehrsanbindung. Der Neubau an der Ecke Alberstraße / Stuttgarter Straße liegt nun näher an den zu versorgenden Wohngebieten und hat zudem eine direkte Anbindung an die B27.

Form und Ausrichtung des Gebäudes ergaben sich in erster Linie aus den notwendigen Funktionsabläufen der Feuerwehr. So müssen die Fahrzeuge in kurzer Zeit erreicht werden und umgehend starten können. Dafür sollen die Feuerwehrleute auf kurzen Wegen von ihren Privatfahrzeugen auf dem Parkplatz oder aus den Aufenthaltsräumen im Gebäude in die Umkleiden und in die Halle gelangen können. Optimierte Bewegungs- und Funktionsabläufe waren also wesentliche Parameter des Entwurfs.

Das Gebäude besteht aus einer knapp 7 m hohen Fahrzeughalle (b/h: ca. 32 m x 14 m), die leicht schräg auf dem Grundstück platziert wurde und als Durchfahrthalle konzipiert ist. In der 464,38 m2 großen Halle finden fünf Einsatzfahrzeuge und vier Wechsellader-Abrollbehälter Platz. Die transparenten, rund 5,10 m hohen Tore bringen an den Längsseiten mit Ihrem hohen Glasanteil viel Licht in den Raum, so dass dieser von der Feuerwehr auch für Veranstaltungen genutzt wird.

An die Halle grenzt an der Nordseite ein eingeschossiger, etwa 4,50 m hoher Gebäudefinger, in dem ein Lager, eine Werkstatt und der Trockenraum für Kleidung untergebracht sind. Am anderen Ende der Halle, auf der Südseite, schließt sich ein zweigeschossiger Gebäudeteil an, der mit einer Attikahöhe von rund 7,70 m die Höhe der Halle aufnimmt. Über den zweigeschossig verglasten Eingang wird das Verwaltungsgebäude an der Nordostseite erschlossen. Lange Fensterbänder und große Fensteröffnungen sorgen für Transparenz. Durch die Gesamtform entstehen im Außenbereich zwei relativ offene Höfe unterschiedlicher Qualitäten. Während in dem öffentlicheren Bereich vor dem Gebäude unter anderem Parkmöglichkeiten angeboten werden, kann der ruhigere rückwärtige Hofbereich unter anderem von den Mitarbeitenden als Treffpunkt und Kommunikationsfläche genutzt werden.

Unterschiedliche Holzkonstruktionen ergänzen sich

Fast der gesamte Bau wurde aus insgesamt 380 m3 Holz gefertigt, lediglich Bodenplatte und Erschließungskern sind aus Stahlbeton. Bereits von außen ist das Feuerwehrgebäude mit einer hinterlüfteten Verschalung aus unterschiedlich breiten Lärchenholzlatten deutlich als Holzbau zu erkennen. Die Außenwände erhielten eine Mineralwolldämmung plus Holzweichfaserplatten sowie eine OSB-Beplankung zur Innenseite. Im Verwaltungsgebäude wurde diese aus brandschutztechnischen Gründen um eine Gipsfaser-Feuerschutzplatte ergänzt. Gipsfaserplatten schließen den Wandaufbau nach innen ab, wobei in der Halle teilweise mit zementgebundenen Bauplatten gearbeitet wurde.

Speziell ist die Brandwand zwischen Verwaltungsbau und Halle: eine Ständerkonstruktion mit einer mittigen 18 cm dicken Glaswolleschicht, jeweils links und rechts mit OSB-Flachpressplatten sowie zementgebundenen Bauplatten beplankt. Die Brandwand verspringt im Erdgeschoss Richtung Verwaltungsfinger, weshalb die Decke hier als F60-Brettsperrholz-Decke (BSP-Element 10,60 m x 1,20 m) mit Brettschichtholz-Überzug ausgebildet wurde. Der gesamte übrige Deckenbereich ist als Brettschichtholz-Decke ausgebildet, ebenso wie ein Großteil der Decken im Obergeschoss. Bei den Decken der Schulungs- und Aufenthaltsräume handelt es sich allerdings um Lignodecken mit Akustikbekleidung

Die Böden in den Schulungs- und Jugendraumbereichen sind mit Industrie-Stäbchenparkett aus Eichenholz belegt und bei den Decken aus Fichten-Brettschichtholz konnte man auf eine Bekleidung verzichten. Die warme Holzatmosphäre wird ergänzt mit weißen Wänden und feuerwehrroten Akzenten wie den Spinden oder den Aufzugstüren.

Die Tragkonstruktion der Halle besteht aus 14 m langen und 28 cm breiten Brettschichtholz-Fischbauchträgern, deren Höhe am Auflager 84,5 cm misst und in Bindermitte 1,14 m.  Im Achsabstand von 4,50 m angeordnet, liegen sie auf 28 cm breiten und 44 cm tiefen Brettschichtholz-Stützen auf. In den übrigen Gebäudeteilen handelt es sich um ein Holzständertragwerk mit deckengleichen Unterzügen und Stützen aus Brettschichtholz. Im Gebäudeinneren werden die BauBuche-Träger mit 40 cm Höhe und 24 cm Breite von quadratischen BauBuche-Pfosten (18 cm x 18 cm) gehalten. Sämtliche Holzrahmenbau-Wände wurden im Werk vorgefertigt und als Elemente auf die Baustelle geliefert. Der hohe Vorfertigungsgrad ermöglichte eine sehr kurze Bauzeit von nur eineinhalb Jahren.

Die Flachdachfläche des Baus ist überwiegend extensiv begrünt und zudem sowohl mit einer Photovoltaik-Anlage als auch mit Solarthermie-Panel ausgestattet. Letztere ergänzen eine Holz-Pellet-Heizungsanlage. Obwohl das Gebäude nicht gleichmäßig beheizt werden muss, erreicht der Verwaltungstrakt nahezu den Passivhausstandard. Für Halle und Lager sind sogar lediglich 12°C Raumtemperatur vorgesehen. Dementsprechend wurde beispielsweise die Perimeterdämmung des Daches im Bereich der Halle von 35 cm auf 23 cm reduziert. In der Halle kann bei Bedarf über Deckenstrahlheizkörper nachgesteuert werden.

Zeitsparen beim Feuerwehreinsatz dank optimalem Gebäudekonzept

Die Wagen fahren auf der Nordostseite in die Halle hinein und verlassen sie auf der gegenüberliegenden Seite ohne in der Halle rangieren zu müssen. Das spart Zeit. Am ersten Tag nach Inbetriebnahme des Gebäudes zeigte sich, dass von der Alarmierung bis zum Ausrücken der Einsatzkräfte lediglich acht Minuten benötigt wurden. Zudem ist so auch die Lärmbelastung deutlich geringer. Alles in allem überzeugte das Gebäude auch die Jury des ICONIC AWARDS Innovative Architecture, mit dem das Feuerwehrhaus 2023 ausgezeichnet wurde.

Durch seinen Vorbildcharakter als nahezu kompletter Holzbau unterstützte das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Stadt Tübingen im Rahmen des Holz-Innovativ-Programms (HIP) mit 300.000 Euro aus Mitteln des REACT-EU-Programms bzw. aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

 

Projektbeschreibung: Susanne Jacob-Freitag

Links

https://www.gaus-architekten.de/projekte/feuerwehrhaus-tuebingen-lustnau 

www.schneck-schaal-braun.de

 

Dieses Projekt wird kofinanziert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).