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Neues Bildungszentrum für den Obstbau Weil der Stadt

Neues Bildungszentrum für den Obstbau

Schlagworte

Holzbau-Referenz
HIP - Bauvorhaben
MLR
EFRE Holz Innovativ Programm
Öffentliches Bauen
2022

Projektdetails

ProjektartHIP - Bauvorhaben
GebäudetypÖffentlicher Bau
Ort71236 Weil der Stadt
Fertigstellung2022
FördernehmerLandesverband für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg e.V. (LOGL)
Bilderlohrmannarchitekten, Volker Schrank, LOGL, Andreas Dalferth

Details zum Projekt

Das neue Bildungszentrum des Landesverbands für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg e.V. (LOGL) in Weil der Stadt besteht aus zwei Baukörpern in Holzrahmenbauweise, eingebettet in einen Naturgarten und eine Streuobstwiese. Der kleinere Baukörper misst 11 m x 5 m mit 5,10 m Firsthöhe, der größere 26 m x 7,70 m mit 7 m Firsthöhe. Die Anlage interpretiert traditionelle Scheunenarchitektur neu und kombiniert dazu regionale Nischenprodukte und Verbindungstechniken mit modernen Holzbaulösungen aus Laub- und Nadelholz. Jedes Bauteil des im KfW-55-Standard errichteten Null-Emissions-Gebäudes wurde konsequent unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit geplant. Die offene Raumstruktur des Hauptgebäudes wird durch drei frei platzierte ‚Blöcke‘ gegliedert, die gleichzeitig der Gebäudeaussteifung dienen: dem Sanitärblock, dem Erschließungsblock mit Treppe und Aufzug sowie einem Möblierungsblock. Die Holzrahmenbau-Wände der Gebäudehülle, also die Außenwände, sind tragend konzipiert. Zusätzlich ist die Treppe Teil eines tragenden Ständerwerks. Die gesamte Konstruktion wurde kreislauffähig entworfen und entsprechend klebstofffrei ausgeführt, mit dem Ziel, Ressourcen zu schonen und den CO₂-Ausstoß durch regionale Wertschöpfung zu minimieren. Der Einsatz der verschiedenen Holzarten demonstriert die vielseitige Verwendbarkeit von Laub- und Nadelhölzern aus Baden-Württembergs Streuobstwiesen und Mischwäldern.
 

Architektur: lohmannarchitekten, Stuttgart
Tragwerksplanung: FM Ingenieure, Herrenberg
Technische Gebäudeausrüstung: Die Planschmiede, Vaihingen a.d. Enz
Bauphysik: Bauphysik 5, Backnang
Ausführung (Holzbau): Holzbau Schaible GmbH, Wildberg-Schönbrunn
Ausführung (Rohbau): Michael Franz GFH Bauunternehmung GmbH & Co. KG, Kornwestheim
Ausführung (Innenausbau): Volksmöbel GbR, Obersulm-Affalterbach
Ausführung (Fenster): Hauber Fensterbau GmbH, Jagstzell
Ausführung (Flaschner): Buck GmbH, Ostfildern
Ausführung (Fliesen): Michael Stähle, Sindelfingen
Ausführung (Estrich): Hägele-Estriche, Beilstein
Ausführung (Parkett): Keck GmbH, Althengstett

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Video

Scheunenarchitektur zeitgemäß interpretiert

Das neue Bildungszentrum des Landesverbands für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg e.V. (LOGL) in Weil der Stadt besteht aus zwei eigenständigen Gebäudeteilen in Holzrahmenbauweise, eingebettet in einen Naturgarten und eine Streuobstwiese. Inspiriert von der umgebenden Kulturlandschaft – Streuobstwiesen mit darauf stehenden Scheunen – interpretiert das als Büro- und Seminargebäude mit Bibliothek genutzte Zentrum diese traditionelle Bauweise neu.

Dazu kombiniert es traditionelle Nischenprodukte und bewährte Verbindungstechniken aus der bäuerlichen Baukultur mit industriell gefertigten, skalierbaren Holzbaulösungen aus Laub- und Nadelholz. Die klebstofffreien Konstruktionen sind ressourcenschonend, vollständig kreislauffähig und basieren auf regionalen Wertschöpfungsketten – was den CO₂-Ausstoß infolge Primärenergieverbrauch, kurz grauer Energie, auf ein Minimum reduziert.

Grundstruktur der Inneneinteilung und Tragstruktur

Das kleinere, 11 m lange, 5 m breite und 5,10 m hohe Nebengebäude dient als Lager und beherbergt die technischen Einrichtungen. Im 26 m langen, 7,70 m breiten und 7 m hohen Hauptgebäude ist die Geschäftsstelle des LOGL: mit Büros, einem Foyer, einem Seminarraum für Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen und einer Bibliothek im Dachgeschoss.

Die grundsätzlich offene Raumstruktur der Geschäftsstelle wird durch frei positionierte ‚Blöcke‘ in mehrere Funktionszonen gegliedert: einen Sanitärblock, einen Erschließungsblock mit Treppe und Aufzug sowie einen Möblierungsblock. Diese als Raumteiler fungierenden Baukörper übernehmen gleichzeitig aussteifende Funktionen. Mit Ausnahme des Aufzugsschachts aus Brettsperrholz sind alle diese Elemente in Holzrahmenbauweise ausgeführt. Die Treppe aus massivem Eichenholz ist in ein tragendes Ständerwerk – ebenfalls aus Eichenholz – eingebunden. Auch die Außenwände bilden tragende Holzrahmenbau-Elementen.

Ziel der Bauweise

Um das Bewusstsein für die Nutzung von Laubhölzern im modernen Holzbau zu stärken und die Entwicklung sowie Zulassung entsprechender Holzwerkstoffe zu fördern, setzt der LOGL im Bildungszentrum gezielt auf den Einsatz verschiedener Holzarten und -werkstoffe. So demonstriert er die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Laub- und Nadelhölzern aus der regionalen Artenvielfalt Baden-Württembergs. Ziel ist, die Tradition der Nutzholzverwendung aus Streuobstwiesen und Mischwäldern zu bewahren und einen nachhaltigen Mehrwert zu schaffen, sowohl im Hinblick auf den Erhalt als auch auf die wirtschaftliche Nutzung der Kulturlandschaft – auch über die Mitgliedschaft im LOGL hinaus.

Materialkonzept

Die auf einem schmalen Betonsockel ruhenden Außenwände, die Fassade und das Dach des Zentrums bestehen aus heimischem Nadelholz. Holzarten wie Weißtanne, Fichte, Kiefer und Lärche wurden als Konstruktionsvollholz, Hohlkastendecke oder als Schalung verarbeitet. Die Fassade ist mit unbehandelter Douglasie in einer filigranen Lochmusterstruktur bekleidet und mit Holzfaserdämmung gedämmt, der Seminarraum mit astfreier Weißtanne ausgekleidet.

Im Innenausbau zeigt sich die Vielfalt regionaler Laub- und Obsthölzer: Apfel, Walnuss, Eiche, Esche und Birke prägen das Materialkonzept der Raumkörper. Der Sanitärblock, der das Foyer vom Seminarraum trennt, besteht aus Apfelholz-Dickfurnier auf Birkensperrholz. Für den Erschließungsblock wurde Eiche sowohl massiv – für die Treppe – als auch als Furnier verwendet. Neben der Empfangstheke steht eine Skulptur des Künstlers Lars Zech, gefertigt aus einem Eschenstamm. Der Möblierungsblock, der die Büroräume strukturiert, setzt auf Walnussholzfurnier auf Birkensperrholz.

Wand-, Decken- und Dachkonstruktion

Die Außenwände wurden vollständig in der Werkhalle des Holzbauunternehmens vorgefertigt. Sie bestehen aus einem Holzständerwerk, dessen Gefache mit Holzweichfaserdämmung ausgekleidet bzw. ausgeblasen wurden. Auf der Innenseite folgen Dampfbremspapier, druckfesten Holzfaserplatten sowie eine Bekleidung aus astarmer Weißtanne, montiert auf Lattung und Konterlattung. Dieser Zwischenraum dient gleichzeitig als Installationsebene. Außenseitig ist das Ständerwerk mit Fassadenbahnen als Winddichtigkeitsebene umhüllt und mit einer stehend verarbeiteten, sägerauen Douglasienschalung auf Lattung und Konterlattung bekleidet. Diese besteht aus drei unterschiedlichen Formaten.

Als Decke dienen industriell vorgefertigte Hohlkastenelemente, deren Unterseite mit Akustikpaneelen aus Weißtanne bekleidet sind. Das Dach ist als klassisches Sparrendach ausgeführt und mit Zwischensparren- und Aufsparrendämmung gedämmt. Unterhalb der Dämmung verläuft die Dampfbremse, gefolgt von Akustikpaneelen auf einer Lattung. Als  Dacheindeckung dient ein Blechdach auf Trennlage und druckfester, wasserableitender Holzfaserdämmplatte, montiert auf einer hinterlüfteten Unterkonstruktion mit Unterspannbahn.

Energiekonzept

Das im KfW-55-Standard errichtete Null-Emissions-Gebäude wird emissionsfrei mit Wärme und Energie versorgt – durch eine reversible Luft/Wasser-Wärmepumpe, eine Photovoltaikanlage und eine zentrale Lüftungsanlage. So leistet es einen aktiven Beitrag zur Klimastrategie des Landes im Rahmen des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts. Ein filigranes, außenliegendes und manuell verschiebbares Scheunentor dient als flexibler Sonnenschutz. Zusätzlich wird Regenwasser in einer Zisterne gesammelt und ressourcenschonend genutzt.

Fördermittel für nachhaltige Bauweise

Jedes Bauteil des Projekts wurde konsequent unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit geplant – durch den Einsatz regionaler Materialien und Produzenten, den Verzicht auf konventionelle Grobspanplatten zugunsten leimfreier Alternativen sowie durch wartungsarme Low-Tech-Lösungen wie die verschiebbaren Sonnenschutztore und den Verzicht auf technisch aufwendige Fassadenschichten. Aufgrund seines modellhaften und zukunftsweisenden Charakters wurde das Projekt im Rahmen des Holz-Innovativ-Programms (HIP) des Landes Baden-Württemberg mit Fördermitteln in Höhe von 125.000 Euro unterstützt – das entspricht etwa zehn Prozent der Gesamtinvestition. Die restliche Finanzierung erfolgte durch den Verkauf der bisherigen Geschäftsstelle im Stuttgarter Westen.

 

Projektbeschreibung: Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe, in Kooperation mit Christine Ryll, München