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Wohnhochhaus in Holz-Hybridbauweise Pforzheim

Wohnhochhaus in Holz-Hybridbauweise

Schlagworte

Holzbau-Referenz
HIP - Bauvorhaben
MLR
EFRE Holz Innovativ Programm
2024
Wohngebäude

Projektdetails

ProjektartBauvorhaben – HIP
GebäudetypWohngebäude
Ort75179 Pforzheim
Fertigstellungvoraussichtlich 2024
FördernehmerBaugenossenschaft Arlinger eG, Pforzheim
BilderAchim Birnbaum, Peter W. Schmidt Architekten, ZÜBLIN Timber GmbH, Christoph von Zepelin

Details zum Projekt

Das Holz-Hybrid-Hochhaus Carl der Baugenossenschaft Arlinger ist Teil eines dreiteiligen Ensembles mit über 5.300 m2 Wohnfläche. Auf dem gesamten Areal entstehen 73 Wohnungen. Auf das Holz-Hybrid-Hochhaus Carl entfallen 37 Wohneinheiten. Im Erdgeschoss des 14-stöckigen Gebäudes befinden sich zudem ein Foyer sowie eine Bäckerei mit Außengastronomie. Das Sicherheitstreppenhaus, die Tiefgarage, das Erdgeschoss sowie die auskragenden Betonkrempen zwischen den Geschossen werden in Stahlbetonbauweise erstellt. Der Rest des Gebäudes ist in Holzbauweise ausgeführt. In den Außenwänden sorgen BauBuche-Stützen für die nötige Lastabtragung. Die nichttragenden, zweischaligen Wohnungstrennwände aus Brettsperrholz sind nur unten und seitlich befestigt, während an der Decke jeweils Fugen eingeplant wurden. Nichtbrennbare Wärmedämmungen, Beplankungen aus Gipsfaserplatten sowie die horizontalen Brüstungen, der im Brandfall als statische Tragschicht ausreichende Aufbeton der Decken und das Sicherheitstreppenhaus erfüllen die Brandschutzanforderungen des Hochhauses. Als Energieeffizienz-Haus nach KfW-Standard 55 EE wird das Gebäude nur 55 Prozent der Energie eines herkömmlichen Referenzbauwerks benötigen. Der Bau will eine ökologische Vorbildfunktion einnehmen.

 

 

Bauherr: Baugenossenschaft Arlinger eG, Pforzheim
Architektur: Peter W. Schmidt Architekten, Pforzheim
Tragwerksplanung: merz kley partner, Dornbirn (Österreich) bis LPH 4; Bollinger und Grohmann GmbH, Frankfurt, ab LPH4
Ausführung (Holzbau): ZÜBLIN Timber GmbH, Aichach
TGA-Planung/Bauphysik: EGS-plan Ingenieurgesellschaft für Energie-, Gebäude- und Solartechnik mbH, Stuttgart
Brandschutz: Dehne, Kruse Brandschutzingenieure GmbH&Co.KG, Gifhorn
Generalunternehmer: Ed. Züblin AG,  Bereiche Schlüsselfertigbau und Ingenieurbau, Karlsruhe

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Carl – Holz-Hybrid-Hochhaus mit Vorbildfunktion

Insgesamt 14 Stockwerke hoch ist das in Holz-Hybridbauweise errichtete Wohnhochhaus Carl der Baugenossenschaft Arlinger an der Carl-Hölzle-Straße in Pforzheim. Der nach einem der Gründer der Baugenossenschaft benannte Neubau ist Teil eines dreiteiligen Ensembles mit insgesamt 73 Wohnungen und über 5.300 m2 Wohnfläche. Alle Wohnungen verbleiben im Bestand der Baugenossenschaft und werden nach Fertigstellung vermietet. Die neben dem Wohnhochhaus verorteten Gebäuderiegel bestehen aus Wohnungen sowie einer Kindertagesstätte mit rund 100 Plätzen.

Grundidee

Das Ensemble belegt eine Restfläche am westlichen Stadteingang Pforzheims. Die Idee, den zuvor als „Lagerplatz“ genutzten Grund durch eine Wohnanlage mit Hochhaus aufzuwerten, wurde sowohl vom Gestaltungsbeirat als auch von der Stadt Pforzheim unterstützt. Da die Wirtschaftsgeschichte der Region eng mit der Holzgewinnung im nahen Schwarzwald verbunden ist, das Bauen mit Holz für die Stadt bis dato aber eine untergeordnete Rolle spielte, möchte die Bauherrin mit Carl neue Wege gehen. Aus der Überzeugung heraus, dass das Bauen der Zukunft eng mit der Verwendung von nachwachsenden Baustoffen verbunden ist, will sie eine ökologische Vorbildfunktion einnehmen. Das vom Architekturbüro Peter W. Schmidt Architekten geplante Wohnhochhaus soll dabei als Vorreiter und Leuchtturmprojekt dienen. Er soll das Interesse am Bauen mit Holz fördern und nicht zuletzt Impulse für die dafür zu überdenkenden Standards geben. Deshalb wurde bereits vor dem Bauantrag entschieden, das Gebäude als Holz-Hybridbau zu realisieren. Ein konsequenter Low-Tech-Ansatz, zum Beispiel in Form natürlicher Be- und Entlüftung, sowie die Anbindung des gesamten Ensembles an das Fernwärmenetz runden das Nachhaltigkeitskonzept ab. 

 

Fördermaßnahmen und Folgen

Mehrere Fördermaßnahmen tragen zur Finanzierung bei: Neben Fördergeldern der Bundesstiftung Umwelt (DBU) und der Holzbauinitiative Baden-Württemberg erhält der Neubau EFRE-Mittel von der EU. Die Fertigstellung des Bauvorhabens ist für Frühsommer 2024 geplant. Die Auswirkungen werden weit in die Zukunft reichen: Die im Zuge der Förderung notwendige Dokumentation sämtlicher Details und Lösungen dient als Wegbereiter für weitere Holzprojekte und die dafür notwendigen Standards.

Grundriss

Das Holz-Hybrid-Hochhaus Carl beherbergt im Erdgeschoss ein Foyer sowie eine Bäckerei mit Außengastronomie. In den Obergeschossen befinden sich insgesamt 37 Wohnungen, die alle mit einer großzügigen Loggia ausgestattet sind. Die außenliegenden Bäder werden natürlich belichtet und die Wohnräume verfügen über raumhohe französische Fenster. Die Erschließung aller Einheiten erfolgt über einen zentralen Treppenhauskern, der als Sicherheitstreppenhaus angelegt ist. Dieser ist mit einer Entrauchungsanlage ausgestattet, die mit Überdruck arbeitet.

Hybrider Ansatz

Die Tiefgarage, der in elf Tagen im Gleitbauverfahren betonierte Treppenhauskern, die horizontalen Brüstungen (Betonkrempe) von Carl und das großflächig verglaste, nur durch Betonstützen und wenige Wänden gegliederte Erdgeschoss bestehen aus Stahlbeton. Ab dem 1. Obergeschoss übernimmt der Holzbau. Sowohl das Tragwerk als auch die Wohnungstrennwände und die Fassade bestehen aus Holz. Die Decken sind als unverkleidete Holz-Beton-Verbundbauteile mit Sichtholzqualität auf der Unterseite ausgeführt. Als Fenster werden Holz-Aluminium-Fenster eingesetzt. Der Bodenbelag besteht vorwiegend aus Parkett. Wo es möglich und sinnvoll ist, bleibt das Holz sichtbar. Wo es notwendig ist, gehen innovative Ideen auf schalltechnische und statische Herausforderungen ein.

Statisches Konzept

Das statische Konzept des Gebäudes basiert auf einer Skelettkonstruktion mit tragenden Fassadenstützen und Ringankern, auf denen die Decken aufliegen. Außer den in den Außenwänden liegenden Stützen und dem Treppenkern gibt es keine lastabtragenden Elemente im Gebäude. Die Spannrichtung der Decken verläuft daher von der jeweiligen Außenwand zum zentralen Treppenhauskern. Deckengleiche Unterzüge, sogenannte Deltabeam-Träger, dienen dort als Auflager, wo die Decken nicht auf dem Treppenhauskern aufliegen können.

Außenwände

Die Außenwände sind als Holzrahmenbau ausgeführt. Die darin zur Lastabtragung integrierten Stützen aus BauBuche messen in den unteren Geschossen 26 x 42 cm und verjüngen sich nach oben. Jedes Element ist mit einer 26 cm dicken, nicht brennbaren Wärmedämmung (Schmelzpunkt > 1000 Grad) ausgefacht und raumseitig mit Gipsfaserplatten beplankt. Für den Feuchteschutz wurde eine Dampfbremse eingebaut. Davor befindet sich eine ca. 60 mm dicke Installationsebene, die mit zwei Lagen 12,5 mm Gipskarton beplankt ist. Außenseitig wurde eine weitere, 60 mm starke Dämmschicht zur Verhinderung von Wärmebrücken montiert. Darauf befindet sich eine Gipsfaserplatte und eine Unterspannbahn als Witterungsschutz. Die Außenhülle bildet eine geschlossene senkrechte Stollenfassade auf Lattung und Konterlattung, deren Fassadenbretter mit einem Vorvergrauungsanstrich behandelt wurden.

Nichttragende Innenwände

Die Wohnungstrennwände konnten dank einer vorhabenbezogenen Bauartgenehmigung in Holzbauweise ausgeführt werden. Sie bestehen aus zwei Schalen mit je 80 mm Brettsperrholz, die jeweils raumseitig mit drei Lagen Gipsfaserplatten beplankt sind. Die Beplankung sorgt für den erforderlichen Schall- und Brandschutz.

Decken und Dach

Die Holz-Beton-Verbund-Decken (HBV-Decken) ruhen auf 100 mm starken Brettsperholz-Elementen, die unterseitig mit einer Sichtholz-Oberfläche ausgeführt wurden. Oberseitig hat man sie mit 120 mm Aufbeton ergänzt, wobei die Betonschicht als statisch tragende Ebene im Brandfall ausreicht. Der Fußbodenaufbau kombiniert 70 mm zementgebundenen Blähton als Schüttung, 40 mm Trittschalldämmmatten, 65 mm Heizestrich, PE-Folie mit Gittergewebe zur Aufnahme der Fußbodenheizung mit einem Bodenbelag aus Parkett.

Vorfertigung und Montage

Ein großer Teil des im Projekt eingesetzten Holzes wurde im Pforzheimer Forst geschlagen. Das Sägewerk Hermann Keller GmbH aus Achern lieferte das Rohmaterial an die ZÜBLIN Timber GmbH, die es zu Brettsperrholz verarbeitete. Im Werk Aichach wurden anschließend alle Decken vorgefertigt, Kerven eingefräst, Schubverbinder montiert und die Bauteile vor der Auslieferung mit einer Witterungsschutzbahn ummantelt. Die Wohnungstrennwände wurden inklusive der Beplankung aus Gipsfaserplatten vorgefertigt. Die Außenwände wurden an einem speziellen Fertigungsplatz stehend aufgebaut, gedämmt und mit Platten geschlossen. Lediglich der Einbau der Fenster erfolgt baustellenseitig, um die in der Installationsebene liegenden Bauelemente während der Rohbauphase nicht zu beschädigen. Vor dem Schließen der jeweiligen Decke wurden alle Fassadenbauteile der einzelnen Geschosse mit dem Kran in die Innenräume gehoben und dort bis zur Montage durch die raumhohen Fensteröffnungen hindurch gelagert.

Baustellenablauf

Die Baugeschwindigkeit für den Rohbau des Holz-Hybrid-Hochhauses Carl betrug durchschnittlich zwei Wochen pro Geschoss. Nach dem Aufstellen der Wände eines Geschosses wurden die Deltabeam-Träger aufgelegt und die mit dem Tieflader angelieferten Deckenelemente des jeweiligen Geschosses just-in-time eingehoben. Es folgte die Montage der Isokörbe sowie der Betonkrempen, die Bewehrung der HBV-Decken und die Elektroinstallation z.B. für die Deckenbeleuchtung, bevor die HBV-Decken des jeweiligen Geschosses noch mit Ortbeton komplettiert wurden.

Besonderheit: Brandschutz

Aufgrund der im Hochhausbau geltenden Verordnungen wurden bei Carl verschiedene Sonderdetails eingebaut. Um die im Hochhausbau geltenden Brandschutzanforderungen zu erfüllen, musste im gesamten Gebäude nicht brennbare Dämmung mit einem Schmelzpunkt > 1.000 Grad Celsius verwendet werden, von den aus Mineralwolle bestehenden Randdämmstreifen am Fußboden bis zur Flachdachdämmung. Zudem kam eine rund 1,0 m auskragende, umlaufende Betonkrempe zum Einsatz. Dieses Bauteil verhindert den geschossweisen Brandüberschlag und ermöglichte den Einsatz von Holz in der Fassade.

Besonderheit: Schallschutz und Lüftung

Carl grenzt unmittelbar an eine stark befahrene Bundesstraße an. Die Wohnungen an dieser Seite mussten daher mit Fenstern der Schallschutzklasse 3 ausgestattet werden. Um die Frischluftzufuhr der betroffenen Räume auch ohne Lüftungsanlage zu gewährleisten, entwickelten die Architekten gemeinsam mit dem Akustikplaner spezielle Lüftungskammern. Die an die Fensterlaibung angrenzenden Kammern haben die gleiche Höhe wie die Fenster und sind mit schallabsorbierenden Materialien ausgekleidet. Auf der Innenseite der Kammern befindet sich jeweils ein Öffnungsflügel. Wird dieser geöffnet, strömt Frischluft ein. Der Lärm bleibt draußen. Um diese Konstruktion realisieren zu können, wurden die entsprechenden Fenster in der Fassade so weit wie möglich nach innen geschoben, also in die Installationsebene.


Projektbeschreibung: Christine Ryll und Susanne Jacob-Freitag