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Holz für Flexibilität im neuen Rathaus-Doppel Aldingen

Holz für Flexibilität im neuen Rathaus-Doppel

Schlagworte

Holzbau-Referenz
MLR
EFRE Holz Innovativ Programm
Öffentliches Bauen
2023

Projektdetails

ProjektartBauvorhaben – HIP
Ort78554 Aldingen
Fertigstellung2023
FördernehmerGemeinde Aldingen
BilderDietmar Strauß, BJW Architekten, Andreas Wirth, merz kley partner

Details zum Projekt

Das neue Rathaus in Aldingen besteht aus zwei unterschiedlich hohen Baukörpern, die durch einen gläsernen Gang miteinander verbunden sind. Die für das Projekt gewählte Holzskelettbauweise aus Brettschichtholz in Weißtanne garantiert zusammen mit flexiblen Montagetrennwänden eine einfach veränderbare Grundrisseinteilung und Raumgestaltung. Wandelemente und Geschossdecken, als Platten und Scheiben ausgeführt, sowie ein Dachfaltwerk (im Sitzungsbereich) aus Brettsperrholz steifen das Gebäude zusammen mit den in Stahlbeton errichteten Erschließungskernen für Treppen und Aufzüge aus. Die als Holzrahmenbauelemente vorgefertigten Außenwände schließen mit einer sägerauen, vorpatinierten Weißtanne-Holz-Lückenschalung ab, die sich auch in den Satteldachflächen fortsetzt. Unter der Schalung befindet sich eine Dachhaut aus dunkel beschichteten Stehfalzblechen, die die brandschutztechnische Anforderung an eine harte Bedachung erfüllt. Das Gebäude wurde im KfW 55-Standard erricht und weist ein günstiges Verhältnis zwischen Außen- bzw. Gebäudehüllfläche und Volumen (A/V-Verhältnis) auf. Um den Materialeinsatz im Sinne der Ressourcenschonung zu minimieren, setzten die Planenden auf reduzierte Holzquerschnitte und heimische Hölzer wie Weißtanne, Fichte und Esche. Die Heizenergie stammt aus dem örtlichen Nahwärmenetz, elektrische Energie liefert eine Photovoltaikanlage mit Salzwasserspeicher.


Architektur: BJW Architekten – Freie Architekten – Part MBB, Zimmern ob Rottweil
Tragwerksplanung: merz kley partner GmbH, Dornbirn (Österreich)
Techn. Gebäudeausrüstung: ebök GmbH, Tübingen
Brandschutzplanung: LWKONZEPT Brandschutz | Architektur, Stuttgart
Ausführung (Holzbau): Zimmerei Markus Haller GmbH & Co. KG, Aldingen
Ausführung (Beton-Rohbau): Decker-Bau, Nusplingen

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Zweimal Satteldachhaus mit transparentem Verbindungsstück

Das Rathaus Aldingen kombiniert zwei etwa 12 m breite, parallel angeordnete Baukörper mit einem verglasten Mittelteil, der die im Abstand von rund 5,50 m platzierten Häuser mit Satteldach verbindet. Mit 38,20 m Länge und vier Geschossen (Dachgeschoss als Vollgeschoss mitgezählt) bzw. 22,60 m Länge und zwei Geschossen orientieren sie sich in ihrer Positionierung und Maßstäblichkeit an den Nachbarhäusern und dem historischen Rathaus des Ortes. Das kleinere, knapp 13 m hohe Gebäude beherbergt öffentliche Nutzungen wie ein Bürgerbüro, ein Foyer, in dem Ausstellungen stattfinden können, und einen Sitzungssaal im Obergeschoss. Der größere, rund 15,50 m hohe Bau nimmt Verwaltungsbüros auf und bindet im Erdgeschoss auch eine Filiale der Kreissparkasse Tuttlingen ein. Technik, Nebenraum- und Archivflächen befinden sich in den Dachgeschossen.

Variabel nutzbarer Holzskelettbau mit aussteifenden Dach- und Wandscheiben

Das lange Hauptgebäude ist in Form einer Weißen Wanne aus wasserundurchlässigem (WU)-Beton gemäß Beanspruchungsklasse 1 und Nutzungsklasse B teilunterkellert. Die oberirdischen Geschosse der beiden Häuser wurden in Holzskelettbauweise mit Stützen und Trägern aus Weißtannen-Brettschichtholz errichtet, und zwar mit einem Achsraster in Längsrichtung von beidseitig 4,70 m für Räume und 2,30 m für den zentralen Erschließungsgang. Die Aussteifung erfolgt über die in den Ecken der Baukörper angeordneten Treppenhäuser und den Aufzugskern, alle aus Stahlbeton, sowie über Wand-, Decken- und Dachscheiben aus Brettsperrholz. Flächige Bauelemente wurden nur dort verwendet, wo sie statisch erforderlich waren. Die Steildächer sind als Pfettendachkonstruktionen mit Zwischensparrendämmung in Elementbauweise ausgeführt.

Flexibel einsetzbare Systemtrennwände, wahlweise als Holz-Glas-Konstruktion oder holzbekleidet, in Kombination mit nachrüstbaren EDV- und Elektro-Trassen ermöglichen es, die Nutzflächen einfach an unterschiedliche Raumkonzepte anzupassen: von Einzel- über Gruppen- bis hin zu Großraumbüros.

Durch ein interdisziplinär erarbeitetes Brandschutzkonzept mit Kompensations-Maßnahmen ließen sich in dem Bauvorhaben trotz Viergeschossigkeit und Einordnung in die Gebäudeklasse 4 (GK 4) sehr wirtschaftliche Holzquerschnitte realisieren – die Regelquerschnitte der Stützen konnten beispielsweise mit einem b/h von nur 20 cm x 20 cm dimensioniert werden. Der Einsatz der Ressourcen für die daraus resultierende hocheffiziente Konstruktion fiel entsprechend sparsam aus. Als Material wählten die Planenden darüberhinaus hauptsächlich heimische Hölzer wie Weißtanne, Fichte und Esche, die vorwiegend durch Handwerksbetriebe aus der Region verbaut wurden.

Faltwerk über dem Sitzungssaal

Das Dach über dem Sitzungssaal des kleineren Gebäudes ist als geneigtes, selbsttragendes Faltwerk aus 22 cm dicken Brettsperrholz-Platten ausgebildet. Mit einer Spannweite von 12 m und einer Auskragung von 2,30 m über dem Haupteingang kommt das flächige Holztragwerk ohne zusätzliche konstruktive Elemente aus. Zugkräfte werden ausschließlich über die beiden raumbegrenzenden Giebelwände, die im Abstand von etwa 14 m platziert sind, aufgenommen und abgeleitet.

Fassaden mit Lückenschalung

Alle Außenwände wurden als nichttragende Holzrahmenbau-Elemente im Werk vorgefertigt und vor Ort nur mehr montiert. Der Einbau der Fenster erfolgte separat auf der Baustelle. Das Ständerwerk aus Konstruktionsvollholz ist mit nichtbrennbarer Steinwolle ausgedämmt und raumseitig mit OSB-Platten beplankt. Ein Installationshohlraum in den Holzrahmenbau-Wänden nimmt Leitungen und Kanäle auf. Als innenseitige Bekleidung dienen Dreischichtplatten aus Weißtanne mit senkrechter Maserung. Auf der Außenseite erhielten die Holzrahmenbauelemente diffusionsoffene, aussteifende und mittragende DWD-Platten als Untergrund für die Fassadenbahn. Darauf folgt eine Unterkonstruktion aus Konterlattung und Lattung, auf die vorpatinierte Weißtanne-Kanthölzer auf Lücke aufgeschraubt wurden. Ein im Floatbrushverfahren eingearbeitetes Beschichtungsmaterial auf Basis von natürlichem Leinöl macht die Oberflächen praktisch pflegefrei, sie wirken allseitig stark hydrophob. Dadurch bleibt das Erscheinungsbild dank nahtloser Übergänge zu nicht verwitterten Zonen gleichmäßig, während unschöne Wasserränder nur sehr begrenzt auftreten.

Die Belichtung sowie die manuelle Be- und Entlüftung der Büroräume erfolgt über Holz-Alu-Fensterelemente. Lärchenholzbeplankte Lüftungsklappen mit auf Abstand montierten Glasscheiben als Regenschutz gewährleisten zusätzlich einen witterungsunabhängigen Luftaustausch.

Wartungsfreie Dachhaut

Die Fassadenschalung setzt sich in den Satteldachflächen fort. Darunter ist das Dach mit dunkel beschichteten profilierten Stehfalzblechen eingedeckt und erfüllt die Brandschutzanforderung an eine „harte Bedachung“. Alle Holzelemente sind ohne Durchdringung der Dachhaut mit systemkonformen Halterungen revisionierbar auf den Stehfälzen der wartungsfreien Dachhaut befestigt.

Energeieffizienter KfW 55-Standard

Der Neubau wurde als flächeneffizientes und flexibles Gebäude im KfW 55-Standard mit einem günstigen A/V-Verhältnis (Fläche-zu-Volumen-Verhältnis) realisiert. Die Heizenergie wird vom örtlichen Nahwärmenetz geliefert. Eine Photovoltaik(PV)-Anlage mit einem nachhaltigen Salzwasserspeicher (nutzbare Speicherkapazität 100 Prozent) liefert elektrische Energie. Nach Nutzungsende kann der PV-Speicher als haushaltsüblicher Abfall entsorgt werden. Die Eigenerzeugung elektrischer Energie über die PV-Anlage mit Salzwasserspeicher ermöglicht eine Autarkie von über 52 Prozent. Gleichzeitig werden rund 22.152 kg CO2-Emissionen pro Jahr vermieden.

Im Rathausbereich sorgt eine vollflächige Fußbodenheizung für Wärme. Der Sitzungsbereich ist zusammen mit dem gemeinsamen Foyer, einem zugehörigen Stuhllager und einer Teeküche als eigener Schließkreis unabhängig zum Bürobetrieb der Gemeindeverwaltung nutzbar. Dazu wird er separat mit Medien, Heizung und Lüftung einschließlich temperierter Raumluft versorgt. Über den Schreibtischbereichen montierte Akustikdeckenpaneele aus geschlitztem Weißtanne-Brettsperrholz verbessern die Raumakustik der Büros, Wandbekleidungen aus geschlitzten bzw. mikroperforierten Holzwerkstoffplatten aus Weißtanne die des Sitzungssaals.


Projektbeschreibung: Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe, in Kooperation mit Christine Ryll, München