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Vom Energiefresser zum KfW 70-Standard Sporthalle in Leutkirch im Allgäu

Vom Energiefresser zum KfW 70-Standard

Schlagworte

Holzbau-Referenz
HIP - Bauvorhaben
MLR
EFRE Holz Innovativ Programm
Halle
2017

Projektdetails

ProjektartBauvorhaben – HIP
GebäudetypHalle
Ort88299 Leutkirch im Allgäu
Fertigstellung2017
FördernehmerGroße Kreisstadt, Leutkirch
BilderChristoph Gegenbauer, Andreas Morlok, Herz & Lang GmbH

Details zum Projekt

Leutkirch im Allgäu strebt eine nachhaltige Entwicklung an, bei der Umweltschutz und Klimafreundlichkeit eine große Rolle spielen. Exemplarisch dafür steht die 9 m hohe, eingeschossige Dreifeldsporthalle aus den 1970er Jahren in Leutkirch mit Außenabmessungen von 28 m auf 46,50 m. Ihre Gebäudehülle wurde mit dem TES EnergyFacade-Verfahren energetisch saniert und gestaltet (TES – timberbased element systems for improving the energy efficiency of the building envelope*)). Dabei bilden großformatige, wärmegedämmte Holzrahmenbau-Elemente die neue Gebäudehülle. Sie konnten einfach auf die alte Vorsatzschale aus Stahlbeton-Sandwichelementen aufgebracht werden, so dass die Demontage und Entsorgung der alten Elemente entfiel. Die Vorfertigung der neuen TES-Elemente erwies sich nicht nur als kostengünstig, sondern ermöglichte auch eine kurze Bauzeit. Eine vertikale Leistenschalung in heimischer Weißtanne – ebenfalls elementweise gefertigt und montiert – bildet die neue Fassade.
Das Projekt umfasste auch die Sanierung des Daches und der Lichtkuppeln. Die Stadt ließ außerdem die Sanitärinstallationen in den Dusch-, Umkleide- und Nebenräumen modernisieren und brachte die Elektroinstallationen, Heizung und Beleuchtung auf den neusten Stand. Nach der Sanierung erreicht das Gebäude den KfW-Effizienzhaus-Standard 70. 

*) Das europäische Forschungsprojekt „TES EnergyFacade“ entwickelte in den Jahren 2008 und 2009 an der TU München eine systematische Methode für die Gebäudemodernisierung mit vorgefertigten großformatigen Holzrahmenbau-Elementen. Mehr Infos hier: www.ar.tum.de/holz/forschung/tes-energyfacade 


Architektur Gesamtplanung: Architekturbüro Gegenbauer, Leutkirch
Fassadenplanung energetische Sanierung mit TES: Herz & Lang GmbH, Weitnau
Energieberatung, Bauphysik, Holzbau-Statik: Herz & Lang GmbH
Tragwerksplanung Massivbau: Ing.-Büro Dipl.-Ing. FH Eugen Schmid, Leutkirch
Brandschutz: mhd Brandschutz, Isny
Fachplanung HLS: Ingenieurbüro Wolf für Gebäudetechnik, Leutkirch
Fachplanung Elektro: Abt Elektroplanung, Kempten
Ausführung (Holzbau): Zettler Bau GmbH, Memmingen
Holzlieferant Weißtannenfassade: HolzLand Peter & Sohn GmbH, Leutkirch

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Rundum-Erneuerung: TES EnergyFacade auf Stahlbeton-Vorsatzschale

Energieeffizient, wirtschaftlich und ökologisch: Mit der gestalterischen und energetischen Sanierung einer Sporthalle aus den 1970er Jahren mit dem TES EnergyFacade-Verfahren hat die Stadt Leutkirch ihr Engagement in punkto Nachhaltigkeit unter Beweis gestellt. Die 9 m hohe Dreifeldsporthalle steht auf eine Fläche von 28 m x 46,50 m. Seitlich daran angegliedert sind Nebenflächen mit 3,5 m Höhe. Im Norden befinden sich die Geräteräume, während die Erschließung, Umkleiden und Duschen im Süden angeordnet sind. Der 1979 in Stahlbetonskelettbauweise errichtete Flachdachbau war ursprünglich mit einer Stahltrapezblechschale gedeckt worden. Eine insgesamt 1.400 m² Fläche umfassende Vorsatzschale aus Stahlbeton-Sandwichelementen diente als Fassade.

Bestand auf KfW 70 Standard gebracht

Nach rund einem halben Jahrhundert Nutzungsdauer wies das Gebäude massive Schäden auf. Durch das Hallendach sickerte Feuchtigkeit. Seine Lichtkuppeln hatte Hagel beschädigt und Schmutz getrübt. Die Blitzschutzanlage war desolat. Den Betonsandwichplatten der Fassade hatte die Witterung derart zugesetzt, dass die Armierung teilweise frei lag. Vertikale und horizontale Stoßfugen der Wände waren undicht geworden und ihre Sockelanschlüsse wiesen Wärmebrücken auf. Fenster, Tore und Türen wirkten marode, und auch die Prallwand der Sporthalle war beschädigt. Umkleiden, Duschen- und Sanitäranlagen benötigten dringend eine Erneuerung. Dasselbe galt für die Warmwasserbereitung, die Heizungssteuerung, die Elektroinstallation, die Beleuchtung sowie die veraltete Lüftungsanlage. 

Angesichts dieses baulichen Zustands erwies sich der Endenergiebedarf der Schulsporthalle als sehr hoch. Mit den Sanierungsmaßnahmen wollte die Stadt Leutkirch das Gebäude daher nicht nur energetische ertüchtigen, sondern die Vorgaben der gültigen Energieeinsparverordnung (EnEV) sogar unterschreiten, um damit den Energiebedarf möglichst weit zu senken.

Nachhaltige Fassadensanierung als zweite Chance

Um den Primärenergieverbrauch sowie Treibhausgasemissionen zu reduzieren, wurde das Gebäude an eine regenerative Nahwärmeversorgung angeschlossen. Danach ließen die Planer veraltete bzw. schadhafte Bau- und Einbauteile sowie Leitungsnetze erneuern und investierten in eine moderne Lüftungsanlage. Marode Fenster und Türen ersetzten Handwerker durch dreifachverglaste Elemente. Die Flachdächer wurden mit einer hochwertigen Flachdachdämmung sowie modernen Lichtbänder bestückt. Im lastabtragenden Fundamentbereich kam zudem eine Perimeterdämmung zum Einsatz. Darüber hinaus wurde auch der bauliche Brandschutz verbessert.

Die energetische Sanierung der Fassade ergriff Leutkirch zudem als Chance, um die Sporthalle auch architektonisch als öffentliches Gebäude herauszustellen. Statt Beton-Sandwichplatten bekleiden nun großformatige wärmegedämmte Holzrahmenbau-Elemente mit einer senkrechten Fassadenschalung aus Weißtanne-Latten die Flächen. Sie konnten direkt auf die Beton-Sandwichplatten montiert werden, ohne die Bestandsfassade abbauen zu müssen. Zusammen mit den sanierten Flachdächern bilden sie nun eine neue luft- und winddichte thermische Hülle, die die gesamte Anlage schützt und optimiert.

Das zur Sanierung der Sporthalle eingesetzte TES EnergyFacade-Verfahren nutzt  vorgefertigte Holzrahmenbau-Elemente. Dabei werden mit Hilfe der Fotogrammetrie und des 3-D-Laserscannens Fassadenelemente aus Holz wie ein Abguss vorgefertigt und auf die Bestandsfassaden aufgebracht. In Leutkirch erreicht die damit sanierte Gebäudehülle einen U-Wert von nur 0,13 W/(m²K) bei gleichzeitig geringstem Ressourcen- und Primärenergieverbrauch in der Herstellung.

Aufgrund von Kubatur, Konstruktion und Bauablauf werden bei TES-Sanierungen meist horizontale Wandelemente verwendet. Die Schulsporthalle in Leutkirch dagegen nutzt 2,30 m breite, gebäudehohe, also bis zu 9,10 m hohe vertikale Elemente. Das Ständerwerk der Holzrahmenbau-Wandtafeln ist 26 cm tief und wurde mit Zellulose als ökologischem Dämmstoff ausgeblasen. Innenseitig ist es mit 15 mm dicken OSB-Platte beplankt, außenseitig mit 16 mm Holzwerkstoffplatten. Vor Ort wurden die so vorgefertigten Elemente zunächst mit Spreizdübeln und Winkeln fixiert, bevor die Anschlüsse zwischen den Fassadenelementen ausgedämmt wurden.

Üblicherweise wird für derartige Fassaden ein schlankeres Ständerwerk verwendet. Auf dieses werden außenseitig Holzweichfaserplatten in dickeren Stärken aufgebracht, um einen besseren U-Wert zu erreichen. Im Vergleich zur Zellulosedämmung muss zur Herstellung von Holzweichfaserplatten jedoch mehr Primärenergie aufgewendet werden, sodass die Entscheidung in Leutkirch zugunsten der Einblasdämmung fiel.

Leistenschalung – effizient optimiert

Die vertikale Leistenschalung in heimischer Weißtanne wurde ebenfalls elementweise gefertigt und montiert. Die einzelnen Leisten sind bis zu 9,10 m lang und wurden grundsätzlich ohne Stöße und Keilzinkungen verbaut. In Zusammenarbeit mit den Sägebetrieben hatten die Verantwortlichen zuvor die Leistenabmessung für eine optimale Stammausnutzung ermittelt. Für die Ansicht der Leisten wählten sie aufgrund des Untersuchungsergebnisses die Breitseite. Dies verringerte zwar den plastischen Eindruck der Fassadenbekleidung etwas, reduzierte den Holzverbrauch jedoch deutlich.

Gesamtbilanz: Erfolg auf ganzer Linie

Die Sanierung der Sporthalle mit Passivhauskomponenten macht sich bei den Energiekosten der Stadt deutlich bezahlt: Der Primärenergiebedarf des einstigen „Energiefressers“ beträgt nun 101 kWh/m² pro Jahr (Anforderung EnEV: 176 kWh/m²). Damit waren auch die Anforderungen eines KfW-Effizienzhaus 70 erfüllt. Eine Luftdichtigkeitsmessung mit einem n50-Wert von 0,81/h bestätigte die hochwertige Umsetzung.

In der Gesamtbilanz profitierte das Projekt zudem enorm von der vorgefertigten elementierten Bauweise. Sie machte es möglich, Bauabläufe und Maßnahmen wirtschaftlich zu kalkulieren und aufeinander abzustimmen. Zwar stellte die Planung und Vorfertigung der gebäudehohen Elemente eine technische und logistische Herausforderung dar. Demgegenüber stand jedoch die Zeitersparnis auf der exakt getakteten Baustelle und die verringerte Störung des Wohnumfeldes während der Baumaßnahmen. Die neue Fassade verbessert die bauphysikalischen Eigenschaften der Gebäudehülle und dient zusätzlich als lastabtragendes Bausystem. Nicht zuletzt gewinnt der sanierte Bau durch Verwendung einer Fassadenbekleidung mit senkrechter Leistenschalung in Weißtanne und erhält eine moderne und klare Gliederung.

Dass sich das Ergebnis durchaus sehen lassen kann, hat inzwischen auch der Vergleich mit anderen Bauwerken gezeigt: Beim Holzbaupreis Baden-Württemberg 2018 schaffte es die Sporthalle Leutkirch in die engere Auswahl. Und beim Kommunalwettbewerb HolzProKlima ging sie sogar als zweiter Sieger hervor.

 

Projektbeschreibung: Christine Ryll, Susanne Jacob-Freitag

Links

www.leutkirch.de
www.forst-und-holz-allgaeu-oberschwaben.de


Dieses Projekt wird kofinanziert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).