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Dreikant-Glockenturm mit Aussicht Bleibach im Südschwarzwald

Dreikant-Glockenturm mit Aussicht

Schlagworte

Holzbau-Referenz
HIP - Bauvorhaben
MLR
EFRE Holz Innovativ Programm
Turm
2019

Projektdetails

ProjektartBauvorhaben – HIP
GebäudetypTurm
Ort79261 Gutach-Bleibach im Breisgau
Fertigstellung2019
FördernehmerRöm.-kath. Kirchengemeinde Mittleres Elz- und Simonswäldertal, Pfarrei St. Georg, 79261 Gutach-Bleibach
BilderJohann Haker, Oliver Kern; WerkGruppe1, Ingenieurbüro Wirth Haker

Details zum Projekt

Schon von weitem sieht man das neue Wahrzeichen des kleinen Orts Bleibach im Südschwarzwald: Ein fast 34 m hoher, dreieckiger Turm in Holzbauweise ragt dort in den Himmel. Als separater Campanile ergänzt er die Pfarrkirche St. Georg daneben, dient ihr als Glockenturm und Besuchern zudem als Aussichtsturm. Ein gleichseitiges Dreieck mit einer Seitenlänge von knapp 6,60 m bildet den Grundriss. Er leitet sich zum einen von dem ebenfalls dreieckigen Grundriss des benachbarten Kirchenschiffes aus den 1970er Jahren ab, zum anderen symbolisiert das Dreieck aber auch die Dreifaltigkeit im christlichen Glauben. Außenwände aus Brettsperrholz formen den Dreikant mit einseitig in die Höhe gezogener Spitze. Treppenläufe, Podeste und die Decke für die Aussichtsebene des Turms bestehen ebenfalls aus Brettsperrholz. Die hohe Steifigkeit der Holzelemente und ihr räumliches Zusammenwirken ermöglichen es, die dynamischen Lasten aus den schwingenden Glocken, die im oberen Turmdrittel untergebracht sind, aufzunehmen und abzutragen.
Für die Fassade und die Dachflächen wählten die Architekten eine Schalung aus acetyliertem, das heißt chemisch modifiziertem Holz namens Accoya, das als besonders widerstandsfähig gegen Witterungseinflüsse sowie holzzerstörende Pilze und Insekten gilt. Die Bretter der Fassadenschalung sind vertikal angeordnet. Horizontale Metall-Leisten gliedern den Turm optisch in Stockwerke. Daneben dient der Turmhelm diversen Vogel- und Fledermausarten als Nistmöglich.

Architektur: WerkGruppe1, Gutach-Bleibach im Breisgau
Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Wirth Haker, Freiburg im Breisgau
Prüfstatik: Blaß & Eberhart, Karlsruhe
Ausführung (Holzbau): Holzbau Baumer, Simonswald
Brandschutz: Brandschutzconsult, Ettenheim
Lieferung Weißtannen-Brettsperrholz/Brettschichtholz: Schilliger Bois SAS, Volgelsheim (Frankreich / Elsaß)
Hersteller Accoya: Titan Wood Limited, London

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Dreieckiger Glockenturm ergänzt Bestandsbau

Bleibach im Naturpark Südschwarzwald, rund 20 Kilometer nordöstlich von Freiburg im Breisgau gelegen, ist seit  2019 um einen Glockenturm und einen öffentlichen Aussichtspunkt reicher. Der knapp 34 m hohe Turm in Holzbauweise geht in seiner dreieckigen Form auf den dreiecksförmigen Grundriss der danebenstehenden Pfarrkirche St. Georg ein und ergänzt ihn als Spitze. Die steil abfallenden Linien des Turms leiten sich ebenfalls von der bestehenden Kirche ab und verdeutlichen die Beziehung zwischen den beiden Gebäuden. 
Die Kirche besteht aus einem gotischen Chor aus dem 16. Jahrhundert und einem in den 1970er Jahren hinzugefügten zeltartigen Gebäudeteil mit roter Aluminiumdeckung. Damals hat der verantwortliche Architekt bewusst auf einen Glockenturm verzichtet. Stattdessen wurde ein Geläut in einem Stahlglockenstuhl über dem gotischen Chorraum im Bereich des Daches eingebaut. Die beim Läuten entstandenen Schwingungen verursachten jedoch über die Jahre Risse im Kreuzrippengewölbe des Chorgestühls. Infolgedessen wurde klar: Die vier Glocken müssen an einem neuen Ort unterkommen. Den haben sie nun im separat stehenden Holzturm gefunden. Die darin eingefügte Aussichtsplattform bietet Besuchern außerdem die Möglichkeit, auf die Gipfel der umgebenden Schwarzwaldberge oder in die drei Schwarzwaldtäler Elztal, Simonswäldertal und Sigelauertal zu blicken, denn der Turm steht im Schnittpunkt dieser Täler.

Dreikant hält Schwingungen stand

Der neue Glockenturm besteht aus drei Teilen: dem Turmschaft, der Glockenstube und dem Turmhelm. Den Grundriss des Turms bildet ein gleichseitiges Dreieck mit einer Seitenlänge von etwa 6,60 m. Die wie ein Dreikant aufragende Holzröhre mit spitz zulaufendem Dach wurde auf einem Stahlbeton-Ringfundament mit etwa 3,30 m hohen Fundamentwänden und Bodenplatte errichtet. Der Ring ist vollständig mit Gneissplitt gefüllt, der gleichzeitig als Boden im Eingangsbereich dient.
Die Röhre bilden Brettsperrholz-Elemente mit 20 cm Wandstärke, gefertigt aus Weißtannenholz, der Charakterbaumart des Schwarzwalds. In der unteren Turmhälfte befindet sich das Treppenhaus mit 60 Stufen und zwölf Zwischenpodesten – ebenfalls beides aus Weißtanne. Dabei folgen auf das rund 3 m hohe Erdgeschoss fünf etwa 2,28 cm hohe Abschnitte, in denen sich die Treppe emporwindet. Sie endet auf knapp 14,50 m Höhe auf der Aussichtsplattform. Weitere 2,70 m darüber folgt die Glockenstube mit dem über zwei Ebenen (2 x 2,90 m) reichenden Glockenstuhl. Ihre Lage ist von außen durch die aufgefächerten Lamellen zu erkennen. Die Brettsperrholz-Elemente des rund 11 m hohen Turmhelms schließen die Röhre nach oben hin ab und vervollständigen den fast 34 m hohen Turm.
Da ein Dreieck in sich stabil ist und sich selber aussteift, stellt die Dreiecksform ein effektives Tragwerk für den Turm. Aufgrund der beim Brettsperrholz verklebten Längs- und Querlagen weisen die Wandelemente eine entsprechend hohe Steifigkeit und Formstabilität auf. Das ermöglichte nicht nur, die anspruchsvolle Statik der Konstruktion zu bewältigen, sondern auch die dynamischen Lasten aus den schwingenden Glocken aufzunehmen.

Tragwerk und Montage

Tragwerksplanerisch gliedert sich der Turm in die geschlossene Holzröhre mit Treppenhaus bis zur Aussichtsplattform auf 14,44 m Höhe und die darüber folgenden, halb aufgelösten, halb geschlossenen Bereiche. Dabei sorgen die Wandscheiben des unteren Teils für die Lastabtragung und die Aussteifung. Der obere Teil dagegen ist als gemischtes System konzipiert. Hier bestehen nur noch die Turmecken aus Brettsperrholz. Reduziert auf V-förmige Winkel mit etwa 1,10 Schenkellänge setzen sie die optische Linie der Turmkanten über 9,40 m Höhe wie Stützen fort und enden unterhalb des Turmhutes. Zur Stabilisierung dieser Konstruktion, die zudem die Decke samt Glockenstuhl aus Eichenholz zu tragen hat, wurden die V-Stützen auf halber Höhe der Glockenstube über horizontale Stahlprofile zusammengespannt und über die gesamte Höhe der Glockenstube in Außenwandebene über Stahlzugbänder ausgekreuzt. Der Turmhelm selbst besteht dann wieder aus Brettsperrholz-Scheiben und ist in sich stabil.
Die Turmröhre wurde in drei Segmenten vorgefertigt und zwar als 14,44 m hohe V-förmige Wandwinkel mit einer Schenkellänge von 3 m. Sie bestehen aus je zwei Brettsperrholz-Wandplatten und vier Podesten als aussteifende Schotte. So vorgefertigt konnten sie nacheinander per Kran auf das Ringfundament abgestellt und angeschlossen werden. Die Längskanten sind jeweils mit Überblattungen gestoßen, Nagelbleche sorgen auf der Außenseite für die kraftschlüssige Verbindung. Nach Fertigstellung erhielt die Röhre einen abschließenden Kranz aus Brettschichtholz-Trägern, der das Ganze wie ein Ringgurt zusammenbindet. Dann galt es, die Treppenwangen einzuheben, die aufgrund der Geometrie von oben nach unten eingelassen werden mussten. Die Treppenstufen konnten zuletzt über Stahlwinkel zwischen Wand und Wange eingehängt werden.
Anschließend wurden die Ecksegmente auf den Ringgurt gestellt, der Boden der Glockenstube eingehängt und als oberer Abschluss die Brettsperrholz-Querträger zwischen die Enden der Ecksegmente eingefügt. Es folgte der Einbau der Stahlfachwerke bzw. -auskreuzungen und zu guter Letzt der Glockenstuhl samt Glocken. Die spitz zulaufende Dachkonstruktion schließt den Turm und vervollständigt das Tragwerk.

Acetyliertes Holz als Rundum-Witterungsschutz

Als konstruktiven Holzschutz wählten die Planer für Wand- und Dachflächen eine hinterlüftete Fassadenschalung aus Accoya-Holzbrettern. Das mit Essigsäureanhydrid chemisch modifizierte Holz (Acetylierung) gilt als besonders widerstandsfähig gegen Witterungseinflüsse sowie holzzerstörende Pilze und Insekten. Die Bretter sind vertikal angeordnet, wobei horizontale Blechleisten die Fassade in „Etagen“ gliedern. Licht- und Luftschlitze rundherum lockern die Flächen auf. Im Bereich der Glockenstube sorgen zudem breite und drehbare, vertikale Lamellen für eine gelenkte Ausrichtung des Schalls. Diese Lamellen stehen leicht über die Fassadenfläche hinaus bzw. die Schiebeläden der Aussichtsplattform schneiden etwas in sie ein, was dem Erscheinungsbild des Turms eine gewisse Dynamik verleiht.

Turm für Glocken mit Aussicht und Brutvorrichtungen

Die rundum angebrachten Schiebeläden auf Höhe der Aussichtsebene lassen sich soweit zur Seite öffnen, dass Besucher auf allen drei Seiten einen wunderbaren Ausblick über die Täler und Berge haben. Und weil das so besonders ist, wird der Turm für diesen Zweck auch für Führungen geöffnet. Doch das ist nicht alles: Im Turmhelm über dem Glockengestühl sind verschiedene Ebenen mit Nistkästen vorgesehen. Sie bieten bedrohten Vogelarten wie Mauersegler, Turmfalke, Störche und Eulen, aber auch Fledermäusen, Brutplätze und Nester.
An der Fassade des Glockenturms ist zwar keine Uhr angebracht, die ungefähre Tageszeit  lässt sich (bei Sonnenschein) an seiner Hülle aber dennoch abschätzen. Denn die Dreiecksform hat zur Folge, dass meist eine Fassadenseite in der Sonne steht und die beiden anderen im Schatten liegen. Zusätzlich erhält der Turm alleine durch das Licht ein lebendiges Äußeres: Er erscheint im wahrsten Sinne des Wortes von jeder Seite anders.

Spendengelder ermöglichten das neue Wahrzeichen von Bleibach

Die Baukosten des Projektes inklusive dem Austausch und der Wiederherstellung der alten Glockenstube beliefen sich auf rund 658.500 Euro. Dabei stammen 110.000 Euro aus Spenden, ein Großteil davon vom Weißtannen-Forum in Freiburg. Dies ist einer der Gründe, warum sowohl das Brettsperrholz als auch das Brettschichtholz aus Weißtanne verarbeitet wurden. Da die Bauherrschaft mit Holz einen umweltfreundlichen, CO₂-neutralen und nachhaltig verfügbaren Baustoff verwendet hat, wurde der Turm in einem Wettbewerb vom Land Baden-Württemberg darüber hinaus als innovatives Bauwerk bewertet und erhielt einen Zuschuss von 100.000 Euro aus dem EFRE Förderprogramm (für innovativen Holzbau der Europäischen Union). Die Kirchengemeinde musste dennoch einen erheblichen Anteil als Darlehen finanzieren und ist auf weitere Spenden angewiesen. Eine Möglichkeit für Spendenwillige bietet sich im „Kauf einer Treppenstufe“: für einen Mindestbetrag von 400 Euro kann sich der Sponsor einer Stufe mit einem Namensschild auf selbiger verewigen.

Projektbeschreibung: Susanne Jacob-Freitag

Links

www.architektur3.de
ing-wh.de
www.schilliger.fr
 

Dieses Projekt wird kofinanziert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).